Phantomarten
Eine Reihe von Spinnenarten wurde nach deutschen Exemplaren beschrieben aber seit der Erstbeschreibung vor mehr als 100 Jahren nie wieder gefunden. Diese „Phantomarten” (oder species inquirenda) werden hier aufgelistet und diskutiert.
Pardosa intermedia
Erstbeschreibung
Bösenberg, W. (1903) Die Spinnen Deutschlands. V, VI. Zoologica (Stuttgart) 14: 385-465 (Seite 388, als Lyocsa intermedia).
Abbildungen
Tafel XXXVI, Fig. 572 in der Originalbeschreibung (Weibchen-Habitus von oben und Epigyne).
Typusmaterial
Das Typusmaterial im Königlichen Naturalienkabinett Stuttgart wurde im II. Weltkrieg vernichtet (Renner 1988).
Diskussion
Bösenberg merkt an, dass die neue Art eine Mittelstellung zwischen Pardosa agrestis, Pardosa albata (=Pardosa albatula), Pardosa monticola und Pardosa palustris einnimmt. Angesichts der allgemein schwierigen Unterscheidung der Arten in der Pardosa monticola-Gruppe, besonders bei Weibchen, ist es fast ausgeschlossen, dass Pardosa intermedia nach dem Verlust der Typen allein anhand der Epigynen-Abbildung identifiziert werden kann. Bonnet führt die Art in seiner Bibliographie als jüngeres Synonym von Pardosa palustris (Platnick 2013), aber das scheint unsicher, angesichts der Tatsache, dass Simon und Kulczynski die Typen untersucht und nicht mit P. palustris identifiziert haben.
Agelena mengeella
Erstbeschreibung
Menge, A. Preussische Spinnen. IV. Abtheilung. Schrift. naturf. Ges. Danzig (N. F.) 2: 265–296 (Seite 285, als Agalena brunea)
Abbildungen
Typusmaterial
Ursprünglich wohl mit dem Rest von Menges Sammlung im Westpreußisches Provinzial-Museum Danzig und vermutlich im II. Weltkrieg verschollen.
Diskussion
Da Menges A. brunea nicht identisch mit Blackwells Agroeca brunnea ist, wurde von Strand 1942 ein Ersatzname gewählt. Strand gibt eine kurze Beschreibung der Art, aber ohne neue Abbildungen. Bereits Menge stellte in der Originalbeschreibung eine Ähnlichkeit mit Agalena gracilens (=Allagelena gracilens) fest. Die Abbildungen von Pedipalpus und Epigyne und die Lebensraumangaben scheinen gut zu dieser Art zu passen. Zu der Verwirrung kam es vermutlich vor allem durch die irrtümliche Zuordnung eines Agroeca-Eikokons zu den neubeschriebenen Exemplaren. Entgegen den Angaben von (Platnick 2013) wurde diese Art nicht aus Deutschland, sondern aus der Umgebung von Danzig (Gdańsk) im heutigen Polen beschrieben.
Drassodes myogaster
Erstbeschreibung
Bertkau, P. (1880) Verzeichniss der bisher bei Bonn beobachteten Spinnen. Verh. naturh. Ver. preuss. Rheinl. Westfal. 37: 215-343. (Seite 267)
Abbildungen
Tafel 6, Abbildung 5 in der Originalbeschreibung.
Philaeus superciliosus
Erstbeschreibung
Bertkau (1883) in Förster, A. & Bertkau, P. Beiträge zur Kenntniss der Spinnenfauna der Rheinprovinz. Verh. naturh. Ver. preuss. Rheinl. Westfal. 40: 205-278. (Seite 277)
Abbildungen
Tafel 3, Abbildung 8 in der Originalbeschreibung.
Sitticus exiguus
Erstbeschreibung
Bösenberg W (1903): Die Spinnen Deutschlands. Zoologica V, IV, S. 427 – 428. (Bösenberg W 1903)
Abbildungen
Tafel XLI, Abbildung 626 in der Originalbeschreibung (Habitus von oben und Epigyne).
Typusmaterial
Das Typusmaterial im Königlichen Naturalienkabinett Stuttgart wurde im II. Weltkrieg vernichtet (Renner 1988).
Diskussion
Im Gegensatz zu den Angaben bei Platnick (Platnick 2013) wurde die Art nach einem einzelnen Weibchen beschrieben. Das Männchen ist unbekannt. Die Epigyne zeigt einige Ähnlichkeit mit Sitticus penicillatus. Die Ähnlichkeit war wohl auch Bösenberg aufgefallen, der S. penicillatus gleich im Anschluss beschreibt (als Attus guttatus Thorell), aber eine sichere Bestimmung aufgrund der knappen Beschreibung scheint nach dem Verlust der Typen unmöglich.
Thomisus trigonus
Erstbeschreibung
Giebel, C. G. (1869). Thomisus trigonus, neue Spinne der Halleschen Fauna. Zeitschr. gesam. Naturw. 33: 367-368.
Abbildungen
Es existieren keine Abbildungen der Art
Typusmaterial
Verbleib unbekannt
Diskussion
Die Erstbeschreibung nach einem trächtigen Weibchen vergleicht Th. trigonus mehrfach mit Thomisus horridus Koch (=Pistius truncatus). Die Beschreibung scheint recht gut zu dieser Art zu passen, und möglicherweise handelt es sich bei Th. trigonus nur um eine Farbvariante von P. truncatus, vielleicht aufgrund der Trächtigkeit des beschriebenen Weibchens. Die Zugehörigkeit zur Gattung Thomisus ist dagegen sehr unwahrscheinlich.
Xysticus boesenbergi
Erstbeschreibung
Bösenberg, W. (1902) Die Spinnen Deutschlands. II-IV. Zoologica (Stuttgart) 14: 97-384. (Seite 353, als Xysticus concinnus)
Abbildungen
Tafel XXXIII, Abbildung 522 in der Originalbeschreibung (Habitus von oben und Epigyne)
Diskussion
Die Art ist nicht identisch mit Xysticus concinnus Kroneberg. Charitonov wählte darum einen Ersatznamen, Xysticus boesenbergi.
Xysticus paniscus
Erstbeschreibung
Koch, L. (1875) Beschreibungen einiger von Herrn Dr Zimmermann bei Niesky in der Oberlausitz und im Riesengebirge entdeckter neuer Spinnenarten. Abh. naturf. Ges. Görlitz 15: 1-21.
Das Typusmaterial wurde von Bösenberg nachbeschrieben und neu illustriert in Bösenberg, W. (1902) Die Spinnen Deutschlands. II-IV. Zoologica (Stuttgart) 14: 97-384.
Abbildungen
Tafel 1, Abbildung 7 der Originalbeschreibung, und Tafel XXXII, Abbildung 513 bei Bösenberg (Habitus von oben und Epigyne).
Typusmaterial
Museum für Naturkunde in Berlin (ZMB 5674) (Jantscher 2001).
Diskussion
Jüngeres Synonym von Xysticus lineatus (Jantscher 2001).
Bathyphantes enslini
Erstbeschreibung
Strand E. (1910): Bemerkungen über einige Arachniden aus württembergischen und fränkischen Höhlen. Arch. Naturg. 76, S. 44–52. (Seiten 48–50) (Strand 1910)
Abbildungen
Es existieren keine Abbildungen dieser Art.
Typusmaterial
Möglicherweise im Museum für Naturkunde, Berlin.
Diskussion
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine nach einem unreifen Tier beschriebene Art jemals wieder gefunden und zuverlässig identifiziert wird, ist praktisch null. Formal ist diese Beschreibung zwar gültig, es handelt sich aber mit einiger Sicherheit um ein nomen dubium, selbst wenn die Typen noch existieren sollten.
Centromerus ludovici
Erstbeschreibung
Bösenberg, W. (1899) Die Spinnen der Rheinprovinz. Verh. naturh. Ver. preuss. Rheinl. Westfal. 56: 69-131. (Seite 115) Nachbeschreibung in Bösenberg, W. (1902) Die Spinnen Deutschlands. II-IV. Zoologica (Stuttgart) 14: 97-384 (Seite 134).
Abbildungen
Tafel 1, Abbildung 2 in der Originalbeschreibung, und Tafel 12, Abbildung 174 in der Nachbeschreibung von Bösenberg (1902).
Typusmaterial
Das Typusmaterial im Königlichen Naturalienkabinett Stuttgart wurde im II. Weltkrieg vernichtet (Renner 1988).
Erigone decens
Erstbeschreibung
Thorell, T. (1871). Remarks on synonyms of European spiders. Part II. Uppsala, S. 97–228. (Seite 128, Fussnote 1)
In einer Fussnote zu Erigone dentifera (=Hylyphantes graminicola) schreibt Thorell: „I possess a ♂ of an Erigone, which I have captured somewhere in Germany, and which I can scarcely distinguish from E. dentifera by any other marks than that the tibial joint is longer than the patellar, and that the clava is long and slender, slenderer than the thighs of the l:st pair of legs, and the length more than double the breadth; I call this species Erigone decens.”
Abbildungen
Es existieren keine Abbildungen dieser Art.
Typusmaterial
Verbleib unbekannt.
Diskussion
Die Art ist nach der Beschreibung auf keinen Fall ein Mitglied der Gattung Erigone, wie schon Simon erkannte (Platnick 2013), sondern gehört zu Hylyphantes, und zwar wahrscheinlich als Synonym von Hylyphantes graminicola. Dass Thorell seine Arten hier zu fein unterscheidet, wird auch dadurch bestätigt, dass er H. graminicola und H. dentifera (Westring) als verschiedene Arten behandelt, auch wenn er betont, dass sie sehr ähnlich sind und die Möglichkeit zugesteht, dass es sich nur um Variationen handelt.
Gonatium fuscum
Erstbeschreibung
Bösenberg, W. (1902) Die Spinnen Deutschlands. II-IV. Zoologica (Stuttgart) 14: 97-384. (Seite 161)
Abbildungen
Tafel 14, Abbildung 217 der Erstbeschreibung (Habitus von oben und Epigyne ventral und lateral).
Typusmaterial
Das Typusmaterial im Königlichen Naturalienkabinett Stuttgart wurde im II. Weltkrieg vernichtet (Renner 1988).
Gonatium gilbum
Erstbeschreibung
Bösenberg, W. (1902) Die Spinnen Deutschlands. II-IV. Zoologica (Stuttgart) 14: 97-384. (Seite 162)
Abbildungen
Tafel 14, Abbildung 218 der Erstbeschreibung (Habitus von oben und Epigyne ventral und lateral).
Typusmaterial
Das Typusmaterial im Königlichen Naturalienkabinett Stuttgart wurde im II. Weltkrieg vernichtet (Renner 1988).
Gonatium pallidum
Erstbeschreibung
Bösenberg, W. (1902) Die Spinnen Deutschlands. II-IV. Zoologica (Stuttgart) 14: 97-384. (Seite 161)
Abbildungen
Tafel 14, Abbildung 215 der Erstbeschreibung (Habitus von oben und Epigyne ventral und lateral).
Typusmaterial
Das Typusmaterial im Königlichen Naturalienkabinett Stuttgart wurde im II. Weltkrieg vernichtet (Renner 1988).
Lepthyphantes thienemanni
Erstbeschreibung
Schenkel, E. (1925) Spinnen der Salzstellen von Oldesloe. Mitt. geogr. Ges. Lübeck (2) 30: 143-147.
Abbildungen
Es existieren keine Abbildungen der Art.
Typusmaterial
Möglicherweise mit dem Rest der Sammlung von Ehrenfried Schenkel im Naturhistorischen Museum Basel.
Oedothorax insignis
Erstbeschreibung
Bösenberg, W. (1902) Die Spinnen Deutschlands. II-IV. Zoologica (Stuttgart) 14: 97-384. (Seite 161, als Gonatium insigne)
Abbildungen
Tafel 14, Abbildung 216 der Erstbeschreibung (Habitus von oben und Epigyne ventral und lateral).
Typusmaterial
Verbleib unbekannt, vermutlich verschollen, wie die anderen Bösenbergschen Gonatium-Typen.
Diskussion
Laut Wunderlich ein Mitglied der Gattung Oedothorax und wahrscheinlich synonym mit Oedothorax retusus oder Oedothorax apicatus (Wunderlich 1974). In Abwesenheit des Typusmaterials bleibt die Art ein nomen dubium.
Walckenaeria mengei
Erstbeschreibung
Bösenberg, W. (1902) Die Spinnen Deutschlands. II-IV. Zoologica (Stuttgart) 14: 97-384. (Seite 145, als Walckenaëra mengei)
Abbildungen
Tafel 13, Abbildung 192 in der Originalbeschreibung (Habitus von oben und Epigyne ventral und lateral). Ausserdem Abbildungen des Weibchens von Tmeticus spinipalpis Menge 1868 (Tafel 36, Abbildung 89, Habitus und Epigyne ventral).
Typusmaterial
Verbleib unbekannt.
Diskussion
Das beschriebene Weibchen ist das Weibchen von Menge's Tmeticus spinipalpis. Wahrscheinlich ein Synonym von Walckenaeria nudipalpis, in Übereinstimmung mit Simon und Menge, auch wenn Bösenberg und Thorell angeben, dass es sich um eine andere Art handelt, ohne jedoch eine deutliche Differentialdiagnose zu geben. Die Abbildungen bei Bösenberg und Menge stimmen gut mit W. nudipalpis überein, ebenso die Beschreibung des Lebensraums und die Tatsache, dass es sich offenbar um eine häufige und weitverbreitete Art handelt (von Bösenberg bei Hamburg im Wald gefunden, von Menge in der Umgebung von Danzig (Heubuder und Heiligenbrunner Wäldchen).
Quellen
- Bösenberg W (1903): Die Spinnen Deutschlands. Zoologica V, IV, S. 427 – 428.
- Jantscher E (2001): Revision der Krabbenspinnengattung Xysticus C. L. Koch, 1835 (Araneae, Thomisidae) in Zentraleuropa. Dissertation, Karl-Franzens Universität Graz, S. 1–328.
- Platnick NI (2013): The World Spider Catalog, Version 14.0. The American Museum of Natural History.
- Renner F (1988): Liste der im Krieg vernichteten Typen des Königlichen Naturalienkabinetts in Stuttgart. XI. Europäisches Arachnologisches Colloquium, S. 319–329.
- Strand E (1910): Bemerkungen über einige Arachniden aus württembergischen und fränkischen Höhlen. Arch. Naturg. 76, S. 44–52.
- Wunderlich J (1974): Ein Beitrag zur Synonymie einheimischer Spinnen (Arachnida: Araneae). Zool. Beitr. (N.F.) 20, S. 159–176.