Scytodes thoracica

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Scytodes thoracica (Latreille, 1802)
Gewöhnliche Speispinne
Thoracica Weimar 07-06 03.jpg
Weibchen mit Beute
Systematik
Ordnung: Araneae (Webspinnen)
Familie: Scytodidae (Speispinnen)
Gattung: Scytodes (Echte Speispinnen)
Reifezeit (Dabelow 1958)
Monat:123456789101112
Verbreitung in Europa[Quellen]
    etabliert,    nicht etabliert,    nicht betrachtet
Weitere Informationen
LSID WSC: urn:lsid:nmbe.ch:spidersp:002900
Gefährdung nach Roter Liste
RegionBSLTKTRFRRL
[AT] Kärnten NE
[CZ] Tschechien ES
[D] Deutschlandmh>?=*
[D] Berlinss===*
[D] Brandenburg *
[D] Mecklenburg-Vorp.ss== *
[D] Niedersachsen G
[D] Niedersachsen (T) G
[D] Nordrhein-Westfalenmh===*
[D] Schleswig-Holsteinss===*

Merkmale

Körperlänge: Weibchen erreichen 4–6 mm, Männchen 3–5 mm (Roberts 1996).

Augenscheinlichstes Merkmal: Prosoma etwa gleich groß wie Opisthosoma.

Das Prosoma (Vorderleib) ist bei beiden Geschlechtern gelblichgrau bis hellbraun-rötlich und weist eine dunkle, in der Mitte lyraförmige Fleckenzeichnung auf. Es ist nach hinten ansteigend gewölbt und etwa so groß wie der Hinterleib, bei hungrigen Tieren sogar größer. Die sechs kleinen Augen sind paarweise auf der Stirn und an den Kopfseiten angeordnet.

Das Opisthosoma (Hinterleib) ist bei gut genährten Tieren ähnlich gefärbt und gezeichnet wie das Prosoma; gelegentlich treten jedoch auch Tiere mit grünem Hinterleib auf. Bei hungrigen Tieren erscheint es dunkelgrau. Dieses → Bild zeigt oben ein ausgehungertes Weibchen und unten dasselbe Exemplar nach mehreren erfolgreichen Beutefängen innerhalb von ca. sieben Wochen.

Die Beine sind dünn, genauso gefärbt wie der Körper und dunkel geringelt. Das Männchen hat längere Beine als das Weibchen.

In Mitteleuropa ist Scytodes thoracica unverwechselbar, in Südeuropa und auf dem Balkan kommen mehrere ähnliche Arten vor.

Verbreitung

Holarktisch (World Spider Catalog 2016).

Es ist anzunehmen, dass Scytodes thoracica z.B. in Deutschland weiter verbreitet ist, als es die Nachweiskarte erscheinen lässt. Durch ihre sehr versteckte, nachtaktive Lebensweise wird die Spinne nur relativ selten gefunden; etwa dann, wenn sie auf Nahrungssuche an Wänden entlang läuft.

Lebensraum

Scytodes thoracica ist eine aus dem Mittelmeerraum eingewanderte Art. Dort lebt sie vorwiegend unter Steinen. (Dabelow 1958) Auf Sizilien an Zitrusalleebäumen, in Häusern und in Kiefernwäldern. (Pantini et al. 2013)

In Deutschland kommt sie fast ausschließlich in Häusern vor (synanthrop) und ist nur sehr selten im Freiland anzutreffen. So berichtet Wiehle, er habe lediglich einmal diese Art in der Eifel an einem Kiefernstamm gefunden. (Wiehle 1953)

Lebensweise

Beutefang

Speispinnen bauen keine Netze, sondern erbeuten ihre Nahrung mit einer einzigartigen Methode: Sie schleichen in der Dunkelheit mit langsamen, bedächtigen Bewegungen z.B. an Wänden entlang und tasten dabei mit dem ersten Beinpaar ihre Umgebung ab. Die Beine sind mit hochempfindlichen Sinneshaaren (Trichobothrien) besetzt, die auch auf leiseste Bewegungen oder leichtesten Luftzug reagieren. (Jones 1987) Unbewegte Beute wird meist nicht wahrgenommen. Hat die Spinne eine Beute entdeckt, spritzt sie aus einer Entfernung von ca. 1-2 Zentimetern blitzschnell Leimfäden aus den Chelizeren, die sich als kleines zickzackförmiges Netz über das Opfer legen und es so an die Unterlage fesseln. Bei größeren Beutetieren kann dieser Vorgang mehrmals wiederholt werden. Die Ausdehnung des Fangnetzes kann bis zu 16 mm in der Länge und 18 mm in der Breite betragen, ist jedoch meist kleiner (durchschnittlich 4x6 mm). (Dabelow 1958)

Der Spritzvorgang, der Scytodes thoracica den deutschen Trivialnamen „Leimschleuderspinne” eingebracht hat, geht innerhalb von 0,14 Sekunden vor sich (Foelix 1979), und kann mit bloßem Auge nicht wahrgenommen werden. Bei Beobachtungen erkennt man den erfolgten Spritzvorgang nur daran, dass das Beutetier plötzlich reglos verharrt.

Diese Fangmethode ist äußerst effektiv, da die Leimfäden zudem mit Gift durchsetzt sind und besonders weichhäutige Beutetiere dadurch nicht nur mechanisch gefesselt, sondern auch noch gelähmt werden, bevor die Spinne den eigentlichen Giftbiss ansetzt. (Dabelow 1958) Der giftige Leim entstammt stark abgewandelten Giftdrüsen, die den Großteil des Prosomas ausfüllen und ihm die charakteristische Form verleihen. Sie sind zweigeteilt: Die größere produziert den Leim und die kleinere das Gift. (Wiehle 1953)

Scytodes thoracica erbeutet unter anderem Silberfischchen, Fliegen, Mücken, Schmetterlinge und andere Spinnen. Auch eigener Nachwuchs wird ab einem gewissen Alter (etwa nach der zweiten Häutung) gefressen. (Dabelow 1958)

Nachdem die Spinne ihre Beute gefangen und einen Giftbiss angesetzt hat, putzt sie sich zunächst, um etwaige Leimreste, die an der Luft sehr schnell erhärten, zu entfernen. Dann saugt sie das Opfer meist an Ort und Stelle aus. Seltener durchbeißt sie die Fesselung und schleppt die Beute in einen Schlupfwinkel, um sie dort zu verzehren. Nahrungsvorräte werden nicht angelegt. (Dabelow 1958)

Fortpflanzung

Bei Scytodes thoracica können Paarungen das ganze Jahr über beobachtet werden. Dabei gibt es zwischen verschiedenen europäischen Rassen deutliche Unterschiede im Verhalten beim Vorspiel und bei der Kopulationsstellung. So erwies es sich bei Versuchen z.B. als fast unmöglich, mitteleuropäische mit mediterranen Tieren zu verpaaren. (Dabelow 1958) Im Folgenden soll nur das Verhalten der mitteleuropäischen Rasse beschrieben werden.

Vorspiel:

Sobald sich paarungswillige Partner gefunden haben, beginnt das Männchen mit dem Opisthosoma zu zittern und mit seinem ersten Beinpaar die Beine des Weibchens und dessen Opisthosoma zu betrillern → Bild. Schon nach einigen Augenblicken, bzw. wenigen Minuten, richtet sich das Weibchen auf, wobei es häufig stark mit dem Opisthosoma auf die Unterlage klopft → Bild. Das Männchen zieht mit dem dritten Beinpaar das Opisthosoma des Weibchens zu sich heran und beißt mit den Chelizeren in Chitingrübchen, die sich unter der Genitalspalte des Weibchens befinden → siehe Bild. Hat das Männchen diesen Biß angesetzt, ist das Weibchen beinahe reglos. (Dabelow 1958)

Kopulation:

Wie bei haplogynen Spinnen üblich, führt das Männchen beide Pedipalpen gleichzeitig ein – bei Scytodes thoracica zudem über Kreuz → siehe Bild. Die eigentliche Paarung kann wenige Minuten, aber auch über eine Stunde andauern. Dabei sind beide Partner, von leicht zuckenden Beinen abgesehen, so gut wie bewegungslos (siehe Bilder unten). Nach dem Ende der Paarung ergreift das Männchen die Flucht und wird häufig vom Weibchen verfolgt. (Dabelow 1958)

Entwicklung

Eiablage:

Die Eiablage von Scytodes thoracica erfolgt im Hochsommer. Das Weibchen fertigt ein Gespinst an, an dem die Eier zunächst befestigt werden. Danach spinnt sie die Eier zu einem Kokon zusammen, den sie fortan unter dem Körper mit sich herumträgt (Dabelow 1958) → siehe Bild.

Brutpflege:

Während der Entwicklung der Jungen in den Eiern bleibt die Mutter meist im Gespinst und legt den Kokon nur selten ab. (Dabelow 1958)

Entwicklung der Jungspinnen:

Ca. 28 bis 31 Tage nach der Eiablage schlüpfen die Jungspinnen, verlassen den Kokon und verteilen sich in einem Gewebe, das die Mutter zuvor angelegt hat. Einige Tage später häuten sie sich zum zweiten Mal und begeben sich etwas später auf Nahrungssuche, wobei es durchaus zu Kannibalismus kommen kann. Schon in diesem frühen Stadium sind die Speispinnen in der Lage, ihre Beute durch „Leimschleudern” zu fangen. (Dabelow 1958)

Scytodes thoracica benötigt sieben Häutungen bis zur Geschlechtsreife. Die gesamte Entwicklung dauert über ein Jahr. (Dabelow 1958)

Lebensdauer:

Männchen der Leimschleuderspinne leben 1,5 bis 2 Jahre, Weibchen werden bis zu 3 Jahre alt. (Dabelow 1958)

Reifezeit

Sowohl adulte als auch juvenile Tiere sind das ganze Jahr über zu finden. (Dabelow 1958)

Terraristik

In der Gefangenschaft lässt sich diese Art gut halten und mit Fruchtfliegen ernähren. (Wiehle 1953)

Bilder

Weblinks

Nachweis- und Verbreitungskarten

Weitere Links

Quellen

  • Dabelow S (1958): Zur Biologie der Leimschleuderspinne Scytodes thoracica. Zool. Jahrb. (Syst.) 86, S. 85–126.
  • Foelix RF (1979): Biologie der Spinnen. Georg Thieme Verlag. ISBN 30130575801 X, 258 S.
  • Jones D (1987): Der Kosmos-Spinnenführer. Frankh-Kosmos Verlag. 3. Auflage. ISBN 3-440-05392-X, S. 320–0.
  • Pantini P, Sassu A & Serra G (2013): Catalogue of the spiders (Arachnida Araneae) of Sardinia. Biodiversity Journal 4 (1), S. 3–104.
  • Roberts MJ (1996): Collins Field Guide. Spiders of Britain and Northern Europe. HarperCollins Publishers Ltd.. ISBN 0-00-219981-5, 383 S.
  • Wiehle H (1953): Die Tierwelt Deutschlands und der angrenzenden Meeresteile, 42. Teil Spinnentiere oder Arachnoidea (Araneae) IX: Orthognatha - Cribellatae - Haplogynae Entelegynae. VEB Gustav Fischer Verlag, 150 S.
  • World Spider Catalog (2016): World Spider Catalog. Natural History Museum Bern, online auf http://wsc.nmbe.ch , Version 17.5, abgerufen am 2016-12-19, doi:10.24436/2.

Quellen der Nachweise