Wiehle-Formel
Als Wiehle-Formel wird bei den Linyphiiden die Bestachelungssequenz der Tibien-Dorsalseiten aller vier Laufbeine einer Körperhälfte bezeichnet. Jede der vier Zahlen beschreibt die Anzahl der dorsalen Stacheln einer Laufbeintibia, mit dem 1. Bein beginnend.
Bedeutung für die Bestimmung
Die Bestachelung der Laufbeintibien hat sich für die grobe Bestimmung der vielen, oft sehr ähnlich aussehenden, Linyphiiden als einfach zu erfassendes und aussagekräftiges Merkmal bewährt (siehe z.B. Roberts MJ (1993): The Spiders Of Great Britain And Ireland, Volume 2. Linyphiidae and Check List. Harley Books. ISBN 978-0946589463, 204 S.). Die Bestachelungssequenz bleibt meist innerhalb einer Gattung gleich und teilt die Linyphiiden in 6 Gruppen: 0-0-0-0, 0-0-1-1, 1-1-1-1, 2-2-1-1, 2-2-2-1 und 2-2-2-2. In wenigen Fällen schwankt die Anzahl innerhalb einer Gattung (z.B. Centromerus). Häufiger tritt jedoch der Fall auf, dass Weibchen und Männchen einer Art unterschiedlichen Stachelsequenzen aufweisen.
Evolution
Es kann davon ausgegangen werden, dass im ursprünglichen Zustand alle Laufbeintibien zwei dorsale Stacheln besaßen, welche bei vielen Linyphiiden erhalten geblieben sind. Alle anderen Bestachelungszustände können auf Reduktionsprozesse zurückgeführt werden. Dabei ging scheinbar zuerst der distale Stachel der 4. Laufbeintibia verloren, dann der 3. und so weiter. Erst als alle distalen Stacheln reduziert waren, verschwanden auch die proximalen Stacheln.
Probleme in der Praxis
Vor allem bei sehr kleinen Arten können die Stacheln sehr fein und schwer zu erkennen sein. Gute Optik (Stereomikroskop) und eine gründliche Untersuchung nicht nur der Beine einer Körperhälfte sind unerlässlich.
Bei den Arten einiger Gattungen (z.B. Leptyphantes) sind zusätzlich zu den dorsalen Stacheln weitere Stacheln ähnlicher Größe ausgebildet, die jedoch eher dorsolateral oder lateral angeordnet sind.
Die Stacheln sind starr mit dem Beinglied verbunden und nicht sehr robust. Sie können durch mechanische Beanspruchung leicht abbrechen. Aufgrund der oben beschriebenen Gesetzmäßigkeit kann beim Vorhandensein eines Stachels in der distalen Hälfte der Tibia von einem Vorhandensein eines Stachels in der proximalen Hälfte ausgegangen werden, auch wenn dieser z.B. bei älterem Alkoholmaterial abgebrochen ist.
Linyphiiden verlieren nicht selten Laufbeine durch Autotomie, auch am Gelenk zwischen Patella und Tibia. In diesen Fällen kann evtl. auf das entsprechede Bein der anderen Körperhälfte zurückgegriffen werden. In sehr seltenen Fällen der Absenz beider Beine eines Paars, kann die vermutliche Bestachelung aufgrund der eingeschränkten Anzahl an Merkmalskombinationen eventuell interpoliert werden (Wenn das 2, Beinpaar fehlt, alle anderen Tibien aber zwei Stacheln aufweisen, ist sicher, dass auch das 2. Bein zwei dorsale Tibienstacheln besessen haben muss).