Palpigradi: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Ordnung der '''Tastenläufer''' (Palpigradi) ist eine sehr artenarme und ursprüngliche Gruppe der Spinnentiere (Arachnida). Weltweit sind nur 79 Arten bekannt (Stand 2007), die nur zwei Familien angehören. In Europa wurden 27 Arten nachgewiesen.<ref>
Die Ordnung der '''Tastenläufer''' (Palpigradi) ist eine sehr artenarme und ursprüngliche Gruppe der Spinnentiere (Arachnida). Die Gruppe ist noch sher wenig erforscht. Die Tiere wurden erst 1885 entdeckt. 1956 kannte man 21 Arten<ref name="Lehrbuch Zoologie"/>, 1994 waren es knapp 70<ref name="Urania Tierreich"/>. Heute sind weltweit 79 Arten bekannt (Stand 2007), die nur zwei Familien angehören. In Europa wurden 27 Arten nachgewiesen.<ref>
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|autor=Blick, T. (Koord.)  
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Tastenläufer sind sehr klein. Sie erreichen Körperlängen von 0,65 bis 2,8 mm.
Tastenläufer sind sehr klein. Sie erreichen Körperlängen von 0,65 bis 2,8 mm.


Vorderkörper und Hinterleib sind äußerlich gut sichtbar getrennt. Das Prosoma besteht jedoch aus einer Kopfplatte (Proterosoma) und zwei dahinter liegenden, freien Segmenten. Das siebte Segment ist stielartig verengt und bildet den Übergang zum Hinterleib.  
Vorderkörper und Hinterleib sind äußerlich gut sichtbar getrennt. Das Prosoma besteht aus einer Kopfplatte (Proterosoma) und zwei dahinter liegenden, freien Segmenten. Das siebte Segment ist stielartig verengt und bildet den Übergang zum Hinterleib.<ref name="Lehrbuch Zoologie">
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Das Opisthosoma ist deutlich segmentiert, jedoch nicht sklerotisiert. Seine letzten drei Segmente sind ringartig verengt und bilden eine Art Schwanz. Dessen Ende entspringt bei allen Tastenläufern eine vielgliedrige Geißel (Flagellum), welche nahezu körperlang werden kann.
Das Opisthosoma ist deutlich segmentiert, jedoch nicht sklerotisiert. Seine letzten drei Segmente sind ringartig verengt und bilden eine Art Schwanz. Dessen Ende entspringt bei allen Tastenläufern eine vielgliedrige Geißel (Flagellum), welche mehr als körperlang werden kann.<ref name="Lehrbuch Zoologie"/>


Tastenläufer benutzen die Pedipalpen und die hinteren drei Beinpaare zum Laufen. Das 1. Beinpaar ist länger, am Ende stärker segmentiert und wird als Fühler tastend vor dem Körper getragen.
Tastenläufer benutzen die Pedipalpen und die hinteren drei Beinpaare zum Laufen. Das 1. Beinpaar ist länger, am Ende stärker segmentiert und wird als Fühler tastend vor dem Körper getragen.<ref name="Lehrbuch Zoologie"/>


Den Tieren fehlen nennenswerte Pigmente, sodass sie weißlich aussehen.  
Den Tieren fehlen nennenswerte Pigmente, sodass sie weißlich aussehen.<ref name="Lehrbuch Zoologie"/>


Tastenläufer besitzen keine Augen. Als Sinnesorgane treten also nur enervierte Körperhaare auf (z.&thinsp;B. Trichobothrien).
Tastenläufer besitzen keine Augen. Als Sinnesorgane treten also nur enervierte Körperhaare auf (z.&thinsp;B. Trichobothrien).<ref name="Lehrbuch Zoologie"/>


Die Cheliceren der Palpigradi sind dreigliedrig und werden vertikal nach unten geklappt.
Die Cheliceren der Palpigradi sind dreigliedrig und werden vertikal nach unten geklappt.<ref name="Lehrbuch Zoologie"/>


==Systematik==
==Systematik==
Innerhalb der Klasse der Spinnentiere (Arachnida) gelten die Tastenläufer als sehr ursprüngliche Ordnung. Gestützt wird diese Annahme durch den primitiven Körperbau, im Speziellen das Fehlen eines Mundvorraums, wie ihn alle anderen Spinnentiere besitzen, dem Fehlen der Malpighischen Gefäße (Exkretionsorgane der Arachniden) und der für diese Klasse typischen Atemorgane, der Tracheen.
Innerhalb der Klasse der Spinnentiere (Arachnida) gelten die Tastenläufer als sehr ursprüngliche Ordnung. Gestützt wird diese Annahme durch den primitiven Körperbau, im Speziellen das Fehlen eines Mundvorraums, wie ihn alle anderen Spinnentiere besitzen, dem Fehlen der Malpighischen Gefäße (Exkretionsorgane der Arachniden) und der für diese Klasse typischen Atemorgane, der Tracheen.<ref name="Lehrbuch Zoologie"/>


==Lebensraum==
==Lebensraum==
Alle Tastenläufer sind auf eine Lebensumgebung mit sehr hoher, gleichbleibender Luftfeuchtigkeit angewiesen. Das beschrängt sie auf subterrestrische Lebensräume wie Erdspalten, Hohlräume unter lange liegenden größeren Steinen und Höhlen.
Alle Tastenläufer sind auf eine Lebensumgebung mit sehr hoher, gleichbleibender Luftfeuchtigkeit angewiesen. Das beschrängt sie auf subterrestrische Lebensräume wie Erdspalten, Hohlräume unter lange liegenden größeren Steinen und Höhlen.<ref name="Lehrbuch Zoologie"/>


==Verbreitung==
==Verbreitung==
Das Hauptverbreitungsgebiet der Ordnung liegt in den Tropen und Subtropen. Die Gattung ''Eukoenenia'' ist auch in der Paläarktis verbreitet und dringt mit der 1,5 mm langen ''[[Eukoenenia spelaea|E. spelaena]]'' am weitesten nach Norden vor (bis Innsbruck).
Das Hauptverbreitungsgebiet der Ordnung liegt in den Tropen und Subtropen. Die Gattung ''Eukoenenia'' ist auch in der Paläarktis verbreitet und dringt mit der 1,5 mm langen ''[[Eukoenenia spelaea|E. spelaena]]'' am weitesten nach Norden vor (bis Innsbruck).<ref name="Urania Tierreich">
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|titel=Urania Tierreich in sechs Bänden, Wirbellose 2 (Annelida dis Chaetognatha)
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==Lebensweise==
==Lebensweise==
Über die Biologie dieser Spinnentiere ist bisher nur sehr wenig bekannt.
Über die Biologie dieser Spinnentiere ist bisher nur sehr wenig bekannt.


In ihren Lebensräumen laufen die Tiere schnell umher. Dabei wird die Schwanzgeißel und das Opisthosoma nachgeschleift oder steil nach oben gekrümmt. Begegnen sich zwei Tiere, so bleiben sie voreinander stehen, bevor sie sich berührt haben. Da sie über keine optischen Sinnesorgane verfügen, müssen sie sich anhand von Luftschwingungen erkennen. Die  Trichobothrien spielen als Sinnesorgane wahrscheinlich eine wichtige Rolle.
In ihren Lebensräumen laufen die Tiere schnell umher. Dabei wird die Schwanzgeißel und das Opisthosoma nachgeschleift oder steil nach oben gekrümmt. Begegnen sich zwei Tiere, so bleiben sie voreinander stehen, bevor sie sich berührt haben. Da sie über keine optischen Sinnesorgane verfügen, müssen sie sich anhand von Luftschwingungen erkennen. Die  Trichobothrien spielen als Sinnesorgane wahrscheinlich eine wichtige Rolle.<ref name="Lehrbuch Zoologie"/>


Trotz der fehlenden Augen sind die Tiere äußerst lichtscheu.
Trotz der fehlenden Augen sind die Tiere äußerst lichtscheu.<ref name="Urania Tierreich"/>


===Ernährung===
===Ernährung===
Selbst über die bevorzugte Nahrung und die Nahrungsaufnahme ist kaum etwas bekannt. Nahrungspartikel, die im Darm von Palpigradi gefunden wurden, lassen Rückschlüsse darauf zu, dass sie sich möglicherweise von den Eiern anderer Gliederfüßer ernähren.
Selbst über die bevorzugte Nahrung und die Nahrungsaufnahme ist kaum etwas bekannt. Nahrungspartikel, die im Darm von Palpigradi gefunden wurden, lassen Rückschlüsse darauf zu, dass sie sich möglicherweise von den Eiern anderer Gliederfüßer ernähren.<ref name="Urania Tierreich"/>


===Fortpflanzung===
===Fortpflanzung===
Beobachtungen an texanischen Arten lassen den Schluss zu, dass die Hauptvermehrungszeit in der kühleren und feuchteren Jahreszeit liegen muss. Fangauswertungen der in den Küstenländern und auf den Inseln des Mittelmeers beheimateten ''Eukoenenia mirabilis'' deuten auf eine parthenogenetische Vermehrung der Art hin.
Beobachtungen an texanischen Arten lassen den Schluss zu, dass die Hauptvermehrungszeit in der kühleren und feuchteren Jahreszeit liegen muss. Fangauswertungen der in den Küstenländern und auf den Inseln des Mittelmeers beheimateten ''Eukoenenia mirabilis'' deuten auf eine parthenogenetische Vermehrung der Art hin.<ref name="Urania Tierreich"/>


==Quellen==
==Quellen==
<references/>
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Version vom 27. August 2009, 08:38 Uhr

Palpigradi Thorell, 1888
Tasterläufer
Eukoenenia spelaea vagvoelgyii.jpg
Eukoenenia spelaea vagvoelgyii
Systematik
Klasse: Arachnida (Spinnentiere)

Die Ordnung der Tastenläufer (Palpigradi) ist eine sehr artenarme und ursprüngliche Gruppe der Spinnentiere (Arachnida). Die Gruppe ist noch sher wenig erforscht. Die Tiere wurden erst 1885 entdeckt. 1956 kannte man 21 Arten Fehler! Referenz name='Lehrbuch Zoologie' kann nicht zugeordnet werden, 1994 waren es knapp 70 Fehler! Referenz name='Urania Tierreich' kann nicht zugeordnet werden. Heute sind weltweit 79 Arten bekannt (Stand 2007), die nur zwei Familien angehören. In Europa wurden 27 Arten nachgewiesen. (Blick & T. (Koord.) Koor)

Merkmale und Ausehen

Tastenläufer sind sehr klein. Sie erreichen Körperlängen von 0,65 bis 2,8 mm.

Vorderkörper und Hinterleib sind äußerlich gut sichtbar getrennt. Das Prosoma besteht aus einer Kopfplatte (Proterosoma) und zwei dahinter liegenden, freien Segmenten. Das siebte Segment ist stielartig verengt und bildet den Übergang zum Hinterleib. (Kaestner & Dr. Alfred 1956)

Das Opisthosoma ist deutlich segmentiert, jedoch nicht sklerotisiert. Seine letzten drei Segmente sind ringartig verengt und bilden eine Art Schwanz. Dessen Ende entspringt bei allen Tastenläufern eine vielgliedrige Geißel (Flagellum), welche mehr als körperlang werden kann. (Kaestner & Dr. Alfred 1956)

Tastenläufer benutzen die Pedipalpen und die hinteren drei Beinpaare zum Laufen. Das 1. Beinpaar ist länger, am Ende stärker segmentiert und wird als Fühler tastend vor dem Körper getragen. (Kaestner & Dr. Alfred 1956)

Den Tieren fehlen nennenswerte Pigmente, sodass sie weißlich aussehen. (Kaestner & Dr. Alfred 1956)

Tastenläufer besitzen keine Augen. Als Sinnesorgane treten also nur enervierte Körperhaare auf (z. B. Trichobothrien). (Kaestner & Dr. Alfred 1956)

Die Cheliceren der Palpigradi sind dreigliedrig und werden vertikal nach unten geklappt. (Kaestner & Dr. Alfred 1956)

Systematik

Innerhalb der Klasse der Spinnentiere (Arachnida) gelten die Tastenläufer als sehr ursprüngliche Ordnung. Gestützt wird diese Annahme durch den primitiven Körperbau, im Speziellen das Fehlen eines Mundvorraums, wie ihn alle anderen Spinnentiere besitzen, dem Fehlen der Malpighischen Gefäße (Exkretionsorgane der Arachniden) und der für diese Klasse typischen Atemorgane, der Tracheen. (Kaestner & Dr. Alfred 1956)

Lebensraum

Alle Tastenläufer sind auf eine Lebensumgebung mit sehr hoher, gleichbleibender Luftfeuchtigkeit angewiesen. Das beschrängt sie auf subterrestrische Lebensräume wie Erdspalten, Hohlräume unter lange liegenden größeren Steinen und Höhlen. (Kaestner & Dr. Alfred 1956)

Verbreitung

Das Hauptverbreitungsgebiet der Ordnung liegt in den Tropen und Subtropen. Die Gattung Eukoenenia ist auch in der Paläarktis verbreitet und dringt mit der 1,5 mm langen E. spelaena am weitesten nach Norden vor (bis Innsbruck). (Füller & Horst und andere 1994)

Lebensweise

Über die Biologie dieser Spinnentiere ist bisher nur sehr wenig bekannt.

In ihren Lebensräumen laufen die Tiere schnell umher. Dabei wird die Schwanzgeißel und das Opisthosoma nachgeschleift oder steil nach oben gekrümmt. Begegnen sich zwei Tiere, so bleiben sie voreinander stehen, bevor sie sich berührt haben. Da sie über keine optischen Sinnesorgane verfügen, müssen sie sich anhand von Luftschwingungen erkennen. Die Trichobothrien spielen als Sinnesorgane wahrscheinlich eine wichtige Rolle. (Kaestner & Dr. Alfred 1956)

Trotz der fehlenden Augen sind die Tiere äußerst lichtscheu. (Füller & Horst und andere 1994)

Ernährung

Selbst über die bevorzugte Nahrung und die Nahrungsaufnahme ist kaum etwas bekannt. Nahrungspartikel, die im Darm von Palpigradi gefunden wurden, lassen Rückschlüsse darauf zu, dass sie sich möglicherweise von den Eiern anderer Gliederfüßer ernähren. (Füller & Horst und andere 1994)

Fortpflanzung

Beobachtungen an texanischen Arten lassen den Schluss zu, dass die Hauptvermehrungszeit in der kühleren und feuchteren Jahreszeit liegen muss. Fangauswertungen der in den Küstenländern und auf den Inseln des Mittelmeers beheimateten Eukoenenia mirabilis deuten auf eine parthenogenetische Vermehrung der Art hin. (Füller & Horst und andere 1994)

Quellen

  • Blick, T. (Koord.) (2007): Tasterläufer in Europa / Palpigradi in Europe – Arachnida.
  • Füller, Horst und andere (1994): Urania Tierreich in sechs Bänden, Wirbellose 2 (Annelida dis Chaetognatha). Urania-Verlag Leipzig, Jena, Berlin. 1 Auflage. ISBN 3-3332-00502-2, 267–268.
  • Kaestner, Dr. Alfred (1956): Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Teil 1: Wirbellose. Gustav Fischer Verlag, Jena. 3 Auflage, 603–616.