Haplogynae und Entelegynae

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Version vom 15. Juli 2008, 18:55 Uhr von Michael Hohner (Diskussion | Beiträge) (Ausgebaut, teilweise mit meinem Artikel aus Wikipedia)
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Entelegynae

Entelegynae ist eine Teilordnung der Echten Webspinnen. Sie zeichnen sich vor allem durch komplex gebaute Geschlechtsorgane (Pedipalpen und Epigyne) aus. Mit etwa 34000 Arten in 3034 Gattungen stellen sie die größte Teilordnung unter den Echten Webspinnen dar. (Norman I. Platnick et al. a re)

Anatomie

Epigyne von Pardosa pullata (mikroskopische Aufnahme)

Während haplogyne Spinnen nur einfach gebaute Geschlechtsorgane besitzen, ist der Aufbau der Geschlechtorgane der entelegynen Spinnen sehr viel komplexer. Beim Weibchen findet sich über den inneren Geschlechtsorganen eine verhärtete (sklerotisierte) Platte der Cuticula, die Epigyne. Diese ist meist kompliziert gefaltet und hat eine oder zwei Öffnungen, die über spiralförmige Röhren mit den Spermatheken verbunden sind. Dorthin gelangt bei der Paarung das Sperma des Männchens und wird dort gespeichert. Das Weibchen ist so in der Lage, die Paarung und die Befruchtung der Eier zeitlich zu trennen. Das Weibchen befördert selbst das Sperma von den Spermatheken über Röhren in den weiter innen gelegenen Uterus externus. Erst dort findet die Befruchtung während der Eiablage statt. Das Weibchen kann auch nach nur einer Paarung mehrere Gelege in zeitlichem Abstand produzieren und befruchten.

Pedipalpus von Xysticus audax (mikroskopische Aufnahme)

Beim Männchen sind die primären Geschlechtsorgane zur Erzeugung des Sperma innenliegend. Das Sperma wird durch eine kleine Öffnung in der Epigastralfurche nach außen abgegeben. Die Begattung erfolgt jedoch nicht mit den primären Geschlechtsorganen. Stattdessen sind die Pedipalpen der Männchen zu komplexen sekundären Geschlechtsorganen umgewandelt. Das Männchen gibt das Sperma zunächst auf ein kleines Spermanetz ab. Von dort wird es wieder in den Samenspeicher des Pedipalpus (den Bulbus) aufgenommen und dort gespeichert. Bei der Paarung wird der Pedipalpus vom Männchen durch Erhöhen des Innendrucks entfaltet. Der Embolus, an dessen Spitze sich die Öffnung des Bulbus befindet, wird in die Epigynenöffnungen des Weibchens eingeführt und das Sperma in die Spermatheken abgegeben.

Sowohl beim Männchen als auch beim Weibchen sind die komplexen Strukturen der Epigyne bzw. der Pedipalpen beim nicht ausgewachsenen Tier noch nicht entwickelt. Die Geschlechtsöffnungen sind geschlossen und die sekundären Strukturen von Cuticula bedeckt. Erst nach der Reifehäutung liegen beide frei und sind funktionsfähig.

Artbestimmung

Da Epigyne und Pedipalpus artspezifisch gebaut sind und auch bei ansonsten sehr ähnlichen Arten deutliche Unterschiede aufweisen, werden sie auch zur Artbestimmung herangezogen. Durch mikroskopische Untersuchung von Epigyne oder Pedipalpus lässt sich die Art meist ohne Zuhilfenahme anderer, möglicherweise variabler, Merkmale sicher bestimmen. Nur bei wenigen Artengruppen ist beispielsweise eine Präparation der Vulva erforderlich, um die Art bestimmen zu können.

Bedeutung für die Artbildung

Durch die komplexe Anatomie passt meist jeweils nur der Pedipalpus und die Epigyne von Tieren der gleichen Art derart zusammen, dass eine Begattung erfolgreich ist (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Es wurde vermutet, dass dadurch eine Kreuzung zweier verschiedener Arten (Hybridisierung) verhindert wird. Diese Annahme konnte jedoch im Experiment nicht bestätigt werden. Gegen diese Theorie spricht weiterhin, dass auch bei haplogynen Spinnen und Vogelspinnenartigen eine Hybridisierung praktisch nicht beobachtet wurde. Stattdessen ist offenbar das Paarungsverhalten ein stärkerer Faktor. Wenn das Männchen vor einem Weibchen der falschen Art balzt, dann wird es entweder ignoriert oder angegriffen. So wird ein Begattungsversuch schon im Vorfeld verhindert, und die unterschiedliche Anatomie kommt nicht zum Tragen. Umgekehrt wurden im Experiment Weibchen während der Balz eines Männchens einer nahe verwandten Art kurzzeitig betäubt und so die Paarung ermöglicht. Die Begattungen waren erfolgreich, und hybride Nachkommen entwickelten sich aus den Eiern.

In neueren Arbeiten werden demzufolge Verhaltensaspekte stärker als früher zur Abgrenzung der Arten herangezogen, und nicht nur anatomische Aspekte (siehe auch Pardosa lugubris).

Haplogynae

Bei weiblichen haplogynen Spinnen mündet die Samentasche direkt in die Vagina. Es fehlt die Epigyne der entelegynen Arten. Kurz gesagt: Entelegynae haben eine Epigyne, Haplogynae dagegen keine.

Bei der Determination müssen bei haplogynen Arten, zu denen die Oonopiden, Dysderiden und Scytodidae gehören, andere Kriterien herangezogen werden. Dabei spielt die Bestachelung der Beine eine wichtige Rolle. (Wiehle 1953)

Quellen

  • Rainer F. Foelix (1996): Biology of Spiders. Oxford Thieme. 2. Auflage. ISBN 0-19-509594-4.